Abu Bakr als Kalif
Während, wie oben schon erwähnt, Ali (a.), die Bani Haschim und bedeutende Sahabi1, wie Salman Farsi und Abuzar die rituelle Leichenwaschung des Propheten vollzogen, wählten andere Ashabi, unter anderem Umar ibn Chattab, Abdurrahman ibn Auf und Thabit ibn Qais den Nachfolger des Heiligen Propheten (s.a.), nämlich Abu Bakr.
Umar drang darauf, dass Abbas, der Onkel des Propheten und Ali (a.) ihren Treueeid bei Abu Bakr ablegen, denn er (Umar) wusste, dass Alis (a.) Treueeid notwendig sein wird, damit Abu Bakrs Kalifat authentisch ist. Ali (a.) lehnte es aber ab, Abu Bakr den Bayat (Treueeid) zu schwören. Daher entschied man sich dazu, Ali (a.) um jeden Preis, auch mit Gewalt, den Treueeid abzuverlangen. Daraufhin ordnete Abu Bakr an, dass einige Männer mit Khalid ibn Walid, Umar und Abdurrahman, Ali (a.) in die Moschee bringen sollten, auch wenn Gewalt von Nöten sein sollte.
Mit der Einstellung, auch Gewalt anwenden zu dürfen, sind sie zu Alis (a.) Haus gegangen. Ali (a.) war zu dem Zeitpunkt mit seiner Frau und einigen Sahabi zu Hause. Als es gewaltig an der Tür klopfte, wussten beide erstmal nicht was los ist. Sie begriffen jedoch sofort, wer vor der Tür stand und mit welcher Absicht sie gekommen waren. Ali (a.) wollte an die Tür gehen, doch Fatima (s.) stellte sich vor ihm hin und wollte ihn daran hindern das zu tun. Sie hatte erkannt, dass diese Männer auch gewalttätig sein werden gegenüber ihrem Mann. Also beschloss sie sich die Tür selbst zu öffnen. Schließlich war sie die Tochter des Heiligen Propheten. Ihr gegenüber müssten sie respektvoll sein und sich zurückhalten. So kam es jedoch nicht. Diesen Männern war zu dem Zeitpunkt alles und jeder egal, sie wollten Ali (a.)! Fatima (s.) ging letztlich an die Tür, wollte sie jedoch nicht öffnen. Sie sprach hinter der geschlossenen Tür zu den Männern und versuchte diese zur Vernunft zu bringen.
Die Männer ließen jedoch nicht mit sich reden. Sie brachen mit Fußtritten die Tür auf und drückten sie mit voller Gewalt auf, obwohl sie wussten, dass sich Fatima (s.) dahinter befindet. Fatima (s.) war damals hochschwanger. Als Folge litt Fatima (s.) unter sehr starken Schmerzen, sie hatte eine Fehlgeburt. Ihr Sohn sollte Muhsayn heißen.
Rücksichtslos ließen die Männer Fatima (s.) schmerzvoll hinter der Tür liegen und drangen in das Haus rein. Sie fesselten Ali (a.) an seinem Hals und Hände und zogen ihn so in die Moschee. In der Moschee sagte Ali (a.) zu Abu Bakr:
„Was tust du? Wie kannst du mich mit Gewalt zu dir bringen lassen? Hast du vergessen, was der Prophet über seine Ahl ul Bayt gesagt hat? Hast du die Worte des Propheten so schnell vergessen?“
Bevor Abu Bakr antworten konnte, sprach Umar dazwischen und sagte:
„Wir haben dich hierher geschleppt. Du musst bei dem Nachfolger des Propheten dein Treueid ablegen!“
Ali (a.) antwortete: „Ihr solltet vernünftig mit mir reden und eure Argumente vortragen. Aus welchen Gründen habt ihr das Khalifat übernommen?“
Umar antwortete: „Die Quraish besitzen große Vorteile gegenüber allen anderen Arabern und die Muhadschirun haben viele Vorteile gegenüber den Ansar und außerdem sind wir mit dem Propheten verwandt.“2
Ali (a.) antwortete daraufhin: „Wenn die Verwandtschaft zum Propheten ein Vorteil und ein ausschlaggebendes Argument ist, dann bin ich doch viel enger verwandt mit dem Propheten als alle anderen Menschen. Ich bin der Vater seiner Enkelsöhne Hasan (a.) und Husain (a.).“ Umar wusste, dass Ali (a.) Recht hatte, also entschloss er sich dazu, seine Rede zu unterbrechen. Er verlangte aufs Neue, dass Ali (a.) sein Treueid ablegen soll und drohte ihm damit, ihn nicht vorher freizulassen Ali (a.) sprach: „Ihr (Abu Bakr und Umar) habt sehr raffiniert eine Vereinbarung abgemacht. Heute hilfst du ihm und später übergibt er dir das Kalifat. Ich akzeptiere es nicht! Nicht ich muss Abu Bakr, sondern Abu Bakr muss mir seinen Treueid schwören.“ Er sprach weiter zu den Anwesenden: „Ihr solltet euch vor Allah fürchten und den Anweisungen des Heiligen Propheten folgen!“ Dann verließ er die Moschee.
Fatima (s.) starb in Trauer und Unzufriedenheit über ihre Sahabi.3 In allen Geschichtsbüchern steht geschrieben, dass der Heilige Prophet in der Öffentlichkeit sagte:
„Fatima ist aus meinem Fleisch und Blut, wer Fatima quält, hat mich gequält. Wer mich quält, hat Allah gequält. Wer Allah quält, beherberget die Hölle.“4
1 Bemerkung: Als „Sahabi“ werden diejenigen bezeichnet, die den Propheten Muhammad (s.a.a.) erlebt, zu seiner (s.a.a.) Zeit gelebt und ihn (s.a.a.) gesehen haben. Einige dieser Sahabi sind Salman Farsi, Abuzar, Abu Sufyan und Muaviya. Ob die einen „Mumin“ (Gläubige) und die anderen „Munafik“ (Heuchler) waren, ist eine andere Sache.
2 Abu Bakr war der Vater von Aysha und Umar der Vater von Hafaza. Sie waren Schwiegerväter des Propheten.
3 Bemerkung: Als Fatima (s.) am sterben war, bat sie Ali (a.) ihre rituelle Waschung selbst zu übernehmen und ihren Leichnam in der Nacht zu beerdigen. Außerdem wollte sie, dass keiner von jenen Männern an ihrer letzten Verabschiedung teilnimmt und an ihrem Leichnam betet. Sie wünschte ihren Grab geheim zu halten. Bis Heute weiß niemand wo genau Fatima (s.) begraben ist.
4 Die islamischen Geschichtsbücher sind voll mit Hadithen über die Beziehung unseren Heiligen Propheten zu seiner Tochter Fatima (s.). Der Heilige Prophet (s.a.) hat seine Tochter mit den Worten „Sayed unnesa al Alamin“ (dh. Haupt der Frauen der beiden Welten) und „Umma Abiha“ (dh.Mutter des Vaters) gerufen.