Das Skandal von Saqife Bani Saad

Während Ali (a.), Abbas und einige wenige Haschimiten mit der rituellen Leichenwaschung des Heiligen Propheten beschäftigt waren, machten sich einige der Ansar (Helfer) und der Muhadschirun (Auswanderer) auf den Weg nach Saqife Bani Saad, ein Ort in Medina. Die, die sich dort versammelten stritten um die Nachfolge des Propheten und wollten jemanden aus ihren eigenen Reihen auserwählen. Es waren reiche Männer wie Thabit ibn Qais, Saad ibn Ubaida und einige andere aus den Stämmen der Aaus und Chazradsch anwesend.

Ibn Abilhadid beschreibt das Ereignis wie folgt:

Umar benachrichtigte Abu Bakr und Abu Ubaida und nahm einige der Muhadschirun (Auswanderer) mit. Sie liefen dorthin, zu Saqife. Während die Ansar (Helfer) ihren Stammesoberhaupt gemäß dem Brauch der Torheitsära priesten, stießen Umar und die anderen zu dieser Versammlung hinzu. Anwesend waren auch bekannte Männer wie Saad ibn Ubaida, Abdurrahman Auf, Abu Ubaida, Thabit ibn Qais, Uthman ibn Affan, Harith ibn Huscham, Hassan ibn Thabit, Bashar ibn Saad, Hobab ibn Manzar, Muqayra ibn Zabah, Asid ibn Chazir, Umar und Abu Bakr.

Als Umar mit den anderen eintraf, sprach Thabit ibn Qais zu den Muhadschirun:

„Da unser Prophet, der beste Prophet Gottes, uns verlassen hat, ist es unsere Aufgabe, einen Kalifen zu bestimmen. Wir, die Ansar waren die ersten Diener und Helfer des Propheten, daher muss einer der Ansar Kalif werden. Der Heilige Prophet war (zwar) zuerst in Mekka, ihr (die Muhadschirun) habt die Wunder des Propheten gesehen und habt ihm trotz dessen nicht geglaubt, sondern ihn vielmehr beleidigt und bedrückt mit eurem Verhalten. Dadurch habt ihr ihn gezwungen damals nach Medina auszuwandern. Als er dann zu uns kam, haben wir ihn herzlich empfangen und ihm Beistand geleistet. Daraufhin haben wir euch unsere Stadt und unsere Häuser zur Verfügung gestellt. Der Koran erwähnt dieses und ist unser Beweis.“2

Umar wollte ihm antworten, doch Abu Bakr kam ihm zuvor und antwortete in Richtung Thabit ibn Qais:

„Oh Sohn von Qais, Gott schütze dich! Wir stimmen dir zu, aber beachte auch unsere Tugenden und Vortrefflichkeiten. Hört, was der Prophet über uns gesagt hat. Ihr habt uns zur Flucht verholfen, unsere Häuser aber haben wir verlassen für die Religion Gottes und für unseren Propheten. Wir sind in eure Stadt emigriert, doch lobt uns Allah in seinem Buch und sagt über uns: „Für die armen Flüchtlinge, die von ihren Heimstätten und ihren Besitztümern vertrieben wurden, indes sie um Allahs Huld und sein Wohlgefallen trachteten und Allah und seinem Gesandten beistanden. Diese sind die wahrhaft treuen3, diesem Vers nach hat Allah festgelegt, dass ihr euch uns unterordnen sollt. Außerdem werden sich die Araber niemandem außer den Qureisch gehorsam erweisen, wo doch der Prophet sagte4, dass die Imame von den Quraisch sind („Al Imamatu min Qureisch“).

So wie der Heilige Prophet es bestimmt hat, müssten die Kalifen aus dem Stamm der Haschimiten hervorgehen! (Und nicht aus dem Stamm der „Tayim“ (Abu Bakrs Stamm) oder aus dem Stamm der „Adi“ (Umars Stamm).

Der Heilige Prophet (s.a.) hat sogar persönlich die Namen der elf Imame (die Reinen- „Masumin“)- Nachkommen von Ali ibn Abu Talib (a.) -festgelegt.

Nachdem Abu Bakr an die Worte des Propheten erinnert hatte, schlug er Umar und Abu Ubaida als mögliche Kalifen vor, um die Anwesenden dann selbst entscheiden zu lassen, wem von beiden sie die Treue schwören wollen. Des Weiteren machte Abu Bakr deutlich, dass er kein persönliches Interesse daran habe, Kalif zu werden. Die Ansar und Muhadschirun waren nun hin- und her gerissen und die Situation schien zu eskalieren. Nachdem Abu Bakr die beiden oben genannten vorgeschlagen hatte, fragte Thabit, mit welchem Recht denn Abu Bakr Umar und Abu Ubaida vorschlagen könne und bezweifelte, dass der Prophet Abu Bakr wirklich zu seinem Nachfolger ernannt hat. Plötzlich warf Habab ibn Manzar eine völlig neue Idee in den Raum und verlangte einen „Amir“ für die Ansar und einen „Amir“ (Befehlshaber, Führer) für die Muhadschirun. Unter lautem Protest widersprach ihm Saad ibn Ebade damit, dass es nicht zwei Befehlshaber in einer Religion geben könne. Auch Umar widersprach dem mit dem Argument, dass zwei Befehlshaber (zur gleichen Zeit) nur Spaltung und Verderbnis hervorbringen würden.

Kurze Zeit später stand Umar erneut auf und erwähnte die Vorzüge Abu Bakrs, so zum Beispiel, dass er, Abu Bakr, in der Höhle „Thur“ der Begleiter des Propheten gewesen ist, nahm daraufhin dessen Hand, hielt sie hoch und forderte die Anderen zum Treueeid gegenüber Abu Bakr auf. In diesem Durcheinander schwur Umar gegenüber Abu Bakr seine Treue, auch die Anderen taten es ihm gleich, obwohl der Stamm der Aaus entgegen dem Willen der Leute des Stammes der Chazradsch Abu Bakr ebenfalls ihre Treue schwuren.

Durch dieses Ereignis an dem Ort Saqife Bani Saad, bestimmten die erwähnten Personen den Kalifen für die ganze muslimische Welt im damaligen Arabien.

Der Vorsitzende der Versammlung war Abu Bakr!

Während Ali ibn Abu Talib (a.), die Haschimiten, die nahen Verwandten und Gefährten des Heiligen Propheten (s.a.), wie Salman, Abuzar und Yasir mit der rituellen Leichenwaschung des Propheten beschäftigt waren, wurde Abu Bakr von diesen Männern zum Kalifen aller Muslime in ganz Arabien proklamiert.

Diese Versammlung wird als „demokratische Wahl des Kalifen durch die Ummah“ bezeichnet, obwohl weder Ali (a.) noch die Haschimiten noch Salman, Abu Ayyub Ansari oder sonst irgendein anderer Muhadschirun oder überhaupt ein Muslim aus Mekka oder Jemen anwesend war. Kein Ashabi war dort anwesend! Ungeachtet dessen, bemühte sich Umar fieberhaft, jeden Muslim, den er auf der Straße traf, schnellstmöglich zu Abu Bakr zu schicken, damit dieser seinen Treueeid bei ihm ablegen solle.5

1 Was ist eine Saqife? Saqife ist eine Art von Schattenspenderdach, der aus Dattelbaumästen und Blätter gebaut ist. Unter SAQIF ist man vor Sonnenstrahlen geschützt. Da herrscht Schatten.

2 Buch: Ibn Abdillahdid, Sharh Nadschul Balaghe, Band 1, Seite 142.

3 Sure 59, Vers 8.

4 Bemerkung: was Abu Bakr gesagt hatte war nicht Wahrheitsgetreu. Was der Prophet (a.s.) sagte, ist in Sahih Muslim Band 3 geschrieben. Der Prophet (a.s.) sagte: „Die Religion (Islam) bleibt aufrecht, bis zum Tage der Auferstehung oder bis die zwölf Kalifen über euch regiert haben. Diese zwölf Kalifen sind alle aus (bzw. vom Stamm der) Quraisch.“ (arab. La Jazzaluddin qaima hatt Taqum azzaman au jakuno alaykum ithna ashar Khalifan, kullohum min Qureisch.)

Dem Volke wird es gut gehen, wenn bzw. während sie von zwölf Männern geführt bzw. regiert werden, die alle aus dem Stamme der Quraisch sind.“ (La yasalu amrannas mazian ma walijehem ithna ashar radjulan, kulohum min Qureisch.)

Nach mir werden zwölf „Amir“ (Führer bzw. Herrscher) sein, die alle von den Quraisch abstammen.“ (Yakun ithna ashar Amiran, Kulluhum min Qureisch.)

Noch deutlicher sind die überlieferten Worten des Heiligen Prophten (s.a.), die lauten: „Nach mir kommen zwölf Kalifen, die alle von dem Stamm der Haschimiten abstammen.“ (Yakuno badi ithna ashar Kalifen, Kulluhum min Bani Haschim.)

5 Bemerkung:

1. Nach dem Ergeinis von Ghadire Chum und der Versammlung von Saqife bani Saad sind erst wenige Wochen vergangen.

2. Nach seiner Wahl zum Kalifen, bestieg Abu Bakr in der Moschee die Kanzel („Mimbar“) des Propheten und hielt folgende Rede:

„Oh Leute! Meine Wahl zum Kalifen ist nicht auf meine Tugenden und auch nicht auf meine Vortrefflichkeiten euch gegenüber begründet, sondern aufgrund meines Alters. Ich bin nicht besser als Ihr. Beim Arbeiten brauche ich Euren Rat und Eure Hilfe. Ich werde nach dem Brauch des Propheten handeln. Wenn ihr mich den falschen Weg gehen seht, dann folgt mir nicht und legt euren Treueid bei einem anderen ab. Seht ihr mich aber gerecht handeln, dann sollt ihr mir dabei helfen.

3. Später schrieb Abu Bakr einen Brief an seinen Vater, in dem er seinem Vater von seiner Wahl zum Kalifen berichtete und sein hohes Alter als Grund dafür angab. Sein Vater entgegenete ihm in einem Brief folgerndermaßen:

„Oh, mein Sohn! Ich bin doch älter als du, wie kann denn nur das Alter eines Mannes genügen Kalif zu werden? Des Weiteren hast du deinen Brief mit den Worten „Khalifatul Rasulullah“ (Kalif des Propheten) unterschrieben. Wenn der Prophet dich dazu bestimmt hat Kalif zu sein, warum hast du dich dann von den Leuten wählen lassen?“

Das Ereignis von Saqife Bani Saad hat eine bis heute anhaltende Folge und daher eine große historische Bedeutung.

1. Das Ereignis damals ist die Ursache für die bis heute anhaltende Spaltung der Ummah.

2. Es ist zusätzlich die Ursache des Märtyrertods der Tochter des Heiligen Propheten (s.a.), Fatima Zahra (s.).und der Tötung von Ali ibn Abu Talib (a.).

3. Weiterhin leitete das Ereignis das grausame Geschehen von Kerbela ein, die die Tötung des Enkels des Heiligen Propheten (s.a.) Hossein (a.) und weiterer Nachkommen des Heiligen Propheten (s.a.) mit sich brachte.

Die sich daraufhin ereigneten Ereignisse sind als bittere Fruchte dessen zu bezeichnen, was an jenem Tag in dem Ort Saqifa Bani Saad geschah.