Alis (a.) Argumente gegen Abu Bakrs Kalifat
Eines Tages ging Abu Bakr zu Ali (a.) um mit ihm über seine Annahme des Kalifats zu sprechen. Er wollte Ali (a.) erklären warum er das Kalifat angenommen hatte. Abu Bakr erzählte, dass er weder Interesse am Kalifat habe noch sei er gierig danach, er sei nicht einmal tugendhafter als die Anderen. Er habe einfach nur die Worte des Heiligen Propheten (s.a.) befolgt, die lauten: „Gott vereinigt meine Ummah nicht auf Fehltaten.“ Er habe gesehen, dass die Muslime sich darauf geeinigt hätten, ihn zum Kalifen zu wählen. Nur aus diesem Grund habe er das Kalifat angenommen. Hätte er gewusst, dass sein Verhalten im Widerspruch zu den Worten des Heiligen Propheten steht, hätte er das Kalifat niemals angenommen.
Nachdem Ali (a.) ihm zugehört hatte, sprach er: „Du sagtest, dass der Prophet dir gesagt habe, dass Allah seine Ummah nicht auf Fehltaten vereinigen würde. Gehöre ich denn zur Ummah?“ „Ja, du gehörst zur Ummah!“, antwortete Abu Bakr. „Gehören auch diejenigen, die gegen dein Kalifat sind, zur Ummah?“, fragte Ali (a.) weiter. Wieder antwortete Abu Bakr mit ja. Daraufhin fragte Ali (a.): „Wie kannst du dann deine Tat auf die Worte des Heiligen Propheten begründen, während du doch siehst, dass all diese Leute gegen dein Kalifat sind?“
Abu Bakr antwortete daraufhin, dass es ihm nicht bekannt gewesen sei, dass so viele gegen sein Kalifat wären, er habe es erst später erfahren. Er hätte nun Angst zurück zu treten, denn er glaube, dass seine Abdankung die Menschen dazu verleiten würde aus der Religion auszutreten.1
Daraufhin fragte Ali (a.) welche Eigenschaften ein Kalif besitzen sollte. Abu Bakr zählte unter anderem auf, dass ein Kalif genaue Kenntnisse über den Koran und die Sunna haben sollte, ein Gerechtigkeitssinn besitzen, Wohlwollend, Treu und stets ein Helfer der Unterdrückten sein sollte. Außerdem sollte er verwandt mit dem Heiligen Propheten sein. Dann forderte Ali (a.) Abu Bakr auf, bei Allah zu schwören und ehrlich zu antworten, ob er die Eigenschaften besitze oder Ali (a.). Abu Bakr antwortete: „Du, Abul Hassan! Du besitzt diese Eigenschaften.“
Ali (a.) fragte weiter: „Hast du als Erster die Einladung des Propheten zum Islam befolgt oder ich? Als der Prophet nach Medina emigrieren musste, hast du dich da in sein Bett gelegt oder ich? Hast du dich als Schutzschild des Propheten angeboten oder ich?“2
Durftest du die Sure Baraat3 in Mekka vor den Götzendiener lesen oder ich?4 Hat der Prophet dich am Tag Ghadire Chum als Maula der Muslime festgelegt oder mich? Habe ich während des Gebets Zakat gegeben oder du? Hat Allah mich im Vers 55, Sure 5: „Siehe, eure Beschützer sind Allah und sein Gesandter und die Gläubigen, die das Gebet verrichten und die Steuer bezahlen und sich vor Ihm beugen“, gemeint oder dich?5 Trifft dich der „Hadith manzilat“ (Rang) oder mich?6 O Abu Bakr! Ist der Vers „Reinigung“ über dich und deine Familie oder über mich und meine Familie herabgekommen?7 Ist der Vers „das Verspeisen“ über dich oder über mich gesagt wurden?8 Wer wurde während der Schlacht in Uhud vom Himmel als Großmütig gerufen? Hast du das Tor von Khaybar geöffnet oder ich? Hast du mit himmlischer Kraft das Tor aus der Angel gehoben und weggeworfen oder ich? Hast du, in Grabenkrieg, Amru Ibn Abduwud, totgeschlagen und die Sorge des Heiligen Propheten beseitigt oder ich? Bist du der Mann, dem der Heilige Prophet seine Tochter zur Frau gab oder ich?9 Bin ich enger verwandt mit dem Propheten oder du. Hat dich der Heilige Prophet sein Fahnenträger im Diesseits und im Jenseits genannt oder mich? Hat der Heilige Prophet mich in der Kaaba auf seine Schulter aufsteigen lassen, um die Götzen herunter zu werfen oder dich? Ließ der Heilige Prophet deine Haustür, ausnahmsweise als Eingang zur Moschee offen oder meine?“
Abu Bakr antwortete auf alle Fragen mit: „Dich!/ Du!/ Deine, Abul Hassan!“
Während Ali (a.) weiter Fragen stellte, weinte Abu Bakr. Schließlich fragte Ali (a.): „Warum hast du mich dann meiner Stellung beraubt?“
Abu Bakr antwortete weinend: „Abu Hassan du hast die Wahrheit gesagt. Gib mir Zeit nachzudenken.“
Er stand auf und ging nach Hause. Er sprach in jener Nacht mit niemandem. Spät in der Nacht ging er schlafen. Ihm erschien der Heilige Prophet (s.a.) in seinem Traum: Abu Bakr grüßte ihn, der Heilige Prophet antwortete ihm aber nicht und drehte sein Gesicht weg.
Abu Bakr fragte den Heiligen Propheten: „O Gesandter Allahs, hast du mir was befohlen, was ich nicht umsetzte?“
Der Heilige Prophet antwortete: “Du hast den Mann, den Allah und sein Gesandter lieben, feindlich und ungerecht behandelt. Gib ihm sein Recht zurück.“
Abu Bakr fragte, wer denn dieser Mann sei und der Heilige Prophet (s.a.) antwortete: „Der Mann, der dir Vorwürfe gemacht hat, ist Ali ibn Abu Talib.“ Abu Bakr versprach dem Propheten, sein Fehlverhalten zu korrigieren.
Als Abu Bakr aufwachte, machte er sich auf den Weg zu Ali (a.). Er erzählte ihm von seinem Traum und bat Ali (a.) um seine Hand. Abu Bakr wollte seinen Treueid bei Ali (a.) ablegen. Ali (a.) verlangte jedoch dies in der Moschee zu tun. Daraufhin verließ er Alis Haus und eilte zur Moschee. Auf dem Weg zur Moschee war er unruhig und nervös. Sein Gesicht verblasste.
Während Abu Bakr zur Moschee eilte, traf er unterwegs auf Umar, der ihn in diesem Zustand sofort fragte, was mit ihm los sei. Als Abu Bakr ihm erzählte, was in der letzten Nacht passierte, war Umar außer sich. „Ich schwöre bei Gott, lasse dich doch nicht von den bani Hashim verwirren.“, entgegnete ihm Umar. Umar redete weiter auf Abu Bakr ein, bis dieser sich umstimmen ließ.10
1 Bemerkung: Hier muss erwähnt werden, dass die Beweisführung Alis (a.) gegen Abu Bakr eine dialektische Beweisführung ist. Die Berufung eines Propheten oder auch eines Imam (als Nachfolger des Propheten) obliegt einzig und allein Allah, dem Schöpfer und nicht der Ummah. Ein Prophet hingegen hat die dazugehörige Aufgabe, diese Botschaft dem Volk zu „veröffentlichen“.
2 Bemerkung: Heilige Koran 2:207: „Und manch einer unter den Menschen würde seine Seele verkaufen im Trachten nach Allahs Wohlgefallen, und Allah ist gütig gegen seinen Dienern.“- Mit diesem Vers lobt Allah den Edelmut von Ali (a.) in jener Nacht.
3 Heiligen Koran Sure 9.
4 Bemerkung: „Baraat“ bedeutet „Lossagung oder Abscheu“. Heiliger Koran 9:3: „Allah ebenso wie sein Gesandter sind der Götzendiener los bzw. ledig…“, diese Sure wurde im 8. Jahr n.H. auf den Propheten gesandt. Die Verse 1- 37 dieser Sure sollten in Mekka bei Anwesenheit der Götzendiener und während der Hajj- Ritualen veröffentlicht werden. Der Heilige Prophet hat zuerst Abu Bakr mit dieser Aufgabe beauftragt. Hierfür schickte er (s.a.) Abu Bakr als Hajj- Leiter mit diesen 37 Versen nach Mekka. Während sich Abu Bakr nun auf dem Weg nach Mekka befand, erschien dem Propheten der Erzengel Gabriel und teilte ihm Folgendes mit:
„Allah möchte, dass entweder du die Verse in Mekka vor den Götzendienern veröffentlichst oder jemand von dir.“ Daraufhin beauftragte der Heilige Prophet (s.a.) Ali (a.) mit der Erledigung dieser Aufgabe. Der Heilige Prophet (s.a.) hat sein persönliches Reitkamel namens „Gazaba“ Ali (a.) gegeben und ihn hinter Abu Bakr her geschickt. Als er (a.) Abu Bakr einholte, verkündete er (a.) ihm die Worte des Heiligen Propheten. Dieser (s.a.) hatte Abu Bakr die Wahl überlassen, entweder mit Ali (a.) die Hajj (Pilgerfahrt) zu vollziehen oder aber nach Medina zurück zu kehren. Abu Bakr entschied sich dazu, nach Medina zurückzukehren. Abu Bakr hat den Propheten über seine Meinungsänderung gefragt. Der Heilige Prophet hat ihm daraufhin seine Fragen beantwortet und ihm alles erzählt, was Allah hinabgesandt hat.
5 Bemerkung: Heiliger Koran 5:55: „Seht, eure Beschützer sind Allah und sein Gesandter und die Gläubigen, die das Gebet verrichten und die Läuterungszahlung zukommen lassen und sie sind Sich-Verneigende.“
6 Hadith „manzilat“: Bei einigen Gelegenheiten äußerte der Heilige Prophet: „O Ali, dein Rang zu mir ist wie der Rang Aron zu Moses, nur, dass nach mir kein Prophet mehr kommen wird.“
7 Gemeint ist der Vers 33, Sure 33 des Heiligen Korans: „… Allah will euch vor Jedem Übel bewahren, O Leute des Hauses, und euch völlig rein halten.“ Dieser Vers ist am Tage des Kasa- Ereignisses herab gesandt worden.
8 Heiliger Koran 76:8/9 Vers 8: „…und sie speisen die Armen und die Weisen und die Gefangenen, auch wenn sie selbst Nahrung bedürfen.“ Vers 9: “Seht, wir speisen euch um Allahs willen. Wir wollen werde Belohnung von euch noch Dank.“
9 Der Heilige Prophet sagte: „Allah hat mir befohlen, dir meine Tochter Fatima zur Frau zu geben.“
10 Buch: IHTIGAG Band1, Seite 157- 184.