Schiedsspruch und seine Folgen
Im Friedensabkommen wurde vereinbart, dass die gewählten Vertreter sich in einer Festung Namens Gumatul Gandal (ein Ort zwischen Damaskus und Medina) treffen und dort eine Entscheidung verhandeln.
Jeder Vertreter durfte von 400 bewaffneten Männern begleitet werden. Ohne eine endgültige Entscheidung sollte sich die Versammlung nicht auflösen.
Muaviye verabschiedete sich von Amruas mit den Worten: „Ich möchte sehen was du kannst! Du wurdest von mir und meinen Soldaten persönlich gewählt, Abumusa Ashari jedoch nicht. Ali ist gezwungen sich von Abumusa Ashari vertreten zu lassen. Also nutze diese Gelegenheit.“
Ali (a.) schickte sein Vorbeter, ibn Abbas mit Abumusa Ashari und seinen 400 Soldaten nach Gumatul Gandal mit. Ibn Abbas warnte Abumusa vor Amruas und forderte ihn auf, wachsam gegenüber Amruas zu sein. Amruas kam absichtlich ein paar Tage früher in die Festung. Als Abumusa ebenfalls in die Festung eintraf, empfang Amruas ihn mit außerordentlichen Schmeicheleien. Amruas kam somit seinem Ziel immer näher. Denn der alte Mann war von Amruas Benehmen und Höflichkeit schon durchaus begeistert. Ibn Abbas mahnte Abumusa ständig vor Amruas Böswilligkeit und List. Diese Mahnungen gefielen Abumusa jedoch nicht, im Gegenteil sie führten zur Verärgerung bei ihm. So verärgert wie Abumusa war, sprach er zu ibn Abbas: „Haltet euch von meinen wichtigen Aufgaben fern! Ich bin schließlich der gewählte Vertreter und brauche euren Rat nicht.“ Daraufhin schlug er Amruas vor das Gespräch unter vier Augen zu führen. Amruas kam dieser Vorschlag wie gerufen. Er akzeptierte es mit höchster Begeisterung und ordnete sofort an, ein Zelt aufzubauen.
Amruas nutzte diese Gelegenheit für sich und behandelte den alten Mann so gut er konnte. Zudem redete er gleich am Anfang des Gesprächs Abumusa ein, dass Uthman unschuldig war und er brutal ermordet wurde. Er führte fort, dass Muaviye von Ali (a.) verlange, die Mörder von Uthman auszuliefern. Denn er wolle die Mörder selbst bestrafen. Ali (a.) weigere sich jedoch hiergegen, weshalb er vorschlage, dass sie Muaviye als Nachfolger bestimmen sollten.
Abumusa war anderer Ansicht. Er schlug Abdullah ibn Umar vor und begründete seinen Vorschlag damit, dass Abdullah ibn Umar ein freundlicher und friedlicher Mensch sei. Als Amruas Abumusas Ansicht gegen Muaviye bewusst wurde, ließ er ihn nicht weiter sprechen. Er griff seine Hand und sie verließen gemeinsam das Zelt. Er sagte mit größtem Einverständnis zu Abumusa: „Bruder du willst Muaviye nicht. Ich will Ali nicht. Ich möchte auch ibn Umar und seine gleichen nicht. Ich schlage vor, wir entlassen Muaviye und Ali (a.) aus dem Kalifat und überlassen die Wahl des neuen Kalifen den Muslimen.“ Da Abumusa weder Ali (a.) noch Muaviye als Kalifen wählen wollte, gab er sich mit dem Vorschlag einverstanden. Auch von ihm aus sollte die Entscheidung nun durch Wahl bei den Muslimen liegen. Daraufhin erklärte Amruas, dass die vorgegebene Zeit zu Ende sei und sie ihre gemeinsame Entscheidung so schnell wie möglich den Muslimen bekannt geben müssten. Denn nur so könnten sie verhindern, dass weiterhin Blut vergießt. Abumusa stimmte ihm zu und schlug vor gleich am nächsten Morgen den Beschluss zu veröffentlichen.
Amruas tat in dieser Nacht alles, was in seiner Macht lag, um zu verhindern, dass Abumusa mit jemandem ins Gespräch kommt.
Am nächsten Morgen riefen Abumusa und Amruas alle anwesenden Muslime zusammen. Während Abumusa und Amruas vereinbarten, dass jeder von ihnen seinen Auftraggeber als entlassen erklärt, bauten die Muslime einen Minbar (d.h. Erhebung, bzw. eine Kanzel). Schließlich war es soweit, die Bevollmächtigten sollten zu den Muslimen sprechen. Amruas nutzte die Tatsache, dass Abumusa älter war aus und ließ ihn „aus Höflichkeit“ als erster sprechen. Abumusa stieg daraufhin auf den Minbar und sprach:
„O Leute! Ihr wisst der Krieg hat bisher zigtausenden das Leben gekostet, viele Kinder sind Waise und viele Frauen sind verwitwet. Wer hat diese Situation herbeigebracht? Ja, Ali (a.) und Muaviye! Beide sind gierig auf das Kalifat. Um Frieden unter die Muslime zurück zu holen, haben ich und Amruas gemeinsam entschieden die beiden von ihren Ämtern abzusetzen und den Muslimen die Möglichkeit zu geben ihren Kalif selbst zu wählen.“ Während er sprach, hob er seine Hand hoch und zog seinen Ring heraus. Diesen zeigte er den Muslimen und sagte: „Ich als Vertreter der Muslime in Irak und Higaz entlasse hiermit Ali (a.) aus dem Kalifat.“
Diese Aussage löste einen großen Tumult unter den Anwesenden aus. Amruas stieg in eile auf den Minbar und sprach:
„Abumusa hat Recht! Der Krieg hat viele Opfer gebracht. Die Ursache des Kriegs war der Meinungsunterschied zwischen Muaviye und Ali (a.). Ich bin ebenfalls mit der Entlassung Alis (a.) einverstanden. Hiermit bestimme ich Muaviye als Kalif aller Muslime. Er ist für das Amt am besten geeignet, vor allem weil er die Mörder von Uthman bestrafen wird.“ Er beendete seine Sprache mit einem Vers aus dem Heiligen Koran:
„….Und wer da freventlich getötet wird, dessen Erben haben Wir gewiss Ermächtigung gegeben…“1
Die Stimmen der Muslime erhoben sich. Diese Entscheidung wollten sie nicht akzeptieren. Abumusa regte sich auch auf und fing an, vor Wut zitternd, Amruas zu beschimpfen. Er wiederholte immer wieder: „O du Betrüger, O du Betrüger!“ Amruas lachte den alten Mann aus und bezeichnete ihn als ein Esel.
Die Iraker begriffen nun, warum Ali (a.) gegen die Wahl Abumusas als Vertreter war. Aus Angst vor Rache floh Abumusa nach Mekka. Amruas dagegen ging Siegesreich zu Muaviye.
Der Schiedsspruch fand somit ein Ende. Der Beschluss wurde jedoch nicht von allen hingenommen. Ali (a.) und seine Freunde, wie auch Anhänger widersprachen der Entscheidung. Der Widerspruch lag nicht an dem Ergebnis, sondern daran, dass Amruas und Abumusa sich nicht an die Vorgaben gehalten hatten. Denn es war zu beachten, dass
1. das Problem nach den Heiligen Koran gelöst wird. Wobei der Heilige Koran keine Verse über solche Streitigkeiten enthält,
2. den Bevollmächtigten kein Recht zusteht ihren Auftraggeber abzusetzen.
3. Hatten Abumusa und Amruas beschlossen Ali (a.) und Muaviye abzusetzten und die Wahl des Kalifen den Muslimen zu überlassen.
Letztendlich standen Ali (a.) und Muaviye wieder auf dem Ausgangspunkt. Dazu kam, dass Muaviye und seinen Spionen es gelang, unter Alis Armee Unruhe zu verschaffen. Bis zu 12.000 Mann trennten sich mit der Zeit von Ali (a.). Diese organisierten sich gegen Ali (a.) und wurden Khavarig genannt. Es entstand eine Gruppe ohne jegliche Vernunft und Verstand, die extrem fanatisch war.
1 Sure 17, Vers 33.