Die Schlacht von Nahravan

Nachdem Ali (a.) aus Saffayn nach Kufa zurückkam, lebte er noch zwei ein halb Jahre.

Alis (a.) Sorge durch das Volk in Kufa war groß. Das Volk in Kufa war sehr treulos und zaghaft. Sie zwangen Ali (a.) im Krieg dazu, auf Muaviye zu verzichten und den Frieden durch einen Schiedsspruch herbeizuführen. Daraufhin wählten sie Abumusa gegen Alis (a.) Willen als seinen Vertreter bzw. Schiedsrichter. Außerdem zwangen sie Ali (a.) dazu, mit Muaviye ein Friedensabkommen zu schließen, welches als solches kein Frieden hätte bringen können. Des Weiteren beschimpften sie Ali (a.) und protestieren gegen ihn. Sie hielten Ali (a.) als Verantwortlicher für ihre Verluste.

Die Khavareg, die sich aus Alis (a.) Armee bildeten und ihm den Rücken kehrten, wählten Abdullah ibn Wahab als ihren Führer. Sie zogen nach Nahrewaran. Sie befolgten den Gedanken, dass es kein Urteil gibt außer Allahs. Diese Gruppe entwickelte sich religiös fanatisch, war unwissend und wurde immer gefährlicher. Sie wussten gar nicht so recht was sie wollten. Ali (a.) sagte über sie: „Sie erwarten Licht vom Finsternis.“ Diese Menschen waren nicht in der Lage zu verstehen, dass Gotteswort nicht nur das Buch aus Papier und Tinte ist. Sie wollten nicht begreifen, dass Ali (a.) der lebendige Koran ist. Ali (a.) hatte Mitleid mit diesen Menschen. Aus Sorge und Mitleid verbrachte er viele Nächte ohne Schlaf, er weinte oft und suchte nach einer Lösung. Eines Tages schickte er Abdullah ibn Abbas zu diesen Menschen. Er sollte die Khavareg über die Wahrheit aufklären und ihnen den richtigen Weg zeigen. Diese waren jedoch stur und beharrten auf einen Schiedsspruch des Heiligen Korans. Sie fragten warum Ali (a.) den Schiedsspruch von Abumusa und Amruas akzeptierte und warum Ali (a.) sich in dem Friedensabkommen mit Muaviye nicht als „Amir al Muminin“ bezeichnete. Daraus folgerten sie, dass Ali (a.) selbst nicht an seinen Kalifat glauben würde.1

Nachdem ibn Abbas seine Bemühungen sich nutzlos erwiesen, ging Ali (a.) selber zu den Khavareg und sprach mit ihnen persönlich. Er sagte: „Was ihr wollt, das will ich auch. Ich will auch nach den Heiligen Koran handeln. Deswegen führe ich den Krieg gegen Muaviye. Ihr wart doch meine Zeugen, ihr wisst doch, dass ich keinen Schiedsspruch wollte. Ich war doch gegen die Unterbrechung des Kriegs. Ihr habt mich gezwungen und bedroht. Seit ihr nicht diejenigen, die Abumusa gegen meinen Willen als mein Vertreter gewählt haben? Und jetzt protestiert ihr gegen mich? Ich möchte noch immer gegen Muaviye kämpfen.“

Daraufhin antworteten die Khavereg, dass sie und Ali (a.) durch die Annahme des Schiedsspruchs zu Ungläubigen wurden. Sie hätten aber diese Entscheidung bereits bereut und gebeichtet, Ali (a.) dagegen noch nicht. Und um ihm zu helfen, müsse er erstmal auch seinen Fehler einsehen.

Ihre Ansicht führten die Khavareg auf die Verse des Heiligen Korans zurück:

„…richtet, was Allah sagt…“2

Folglich sah Ali (a.) ein, dass er diesen Menschen nicht mehr helfen kann. Denn sie wollten die Wahrheit nicht akzeptieren.

Während Ali (a.) mit den Khavareg beschäftigt war und sich nur ihnen zugewendet hatte, nutzte Muaviye die Gelegenheit aus und rüstete sich erneut. Er verstärkte seine Armee und bereitete sich auf einen kommenden Sturm vor. Um die Iraker zu beängstigen überfielen Muaviyes Soldaten kleine Dörfer und Städte. Sie plünderten und töteten die schwachen Menschen. Muaviye schickte seine Soldaten sogar nach Jemen und Higaz, um die schwachen zu plündern und Unruhe zu stiften. Ali (a.) erhielt regelmäßig die Nachrichten von Muaviyes Taten. Einmal ging er in die Moschee und sprach zu den Kufianern: „Mir ist berichtet worden, dass die Stadt Anbar von Muaviyes Soldaten überfallen ist. Sie haben den Bürgermeister der Stadt getötet und unsere Soldaten in die Flucht geschlagen. Die Soldaten sind mit reicher Beute nach Shamt geflüchtet. Wenn ein wahrer Muslim diese Nachricht hört und aus Sorge und Wut stirbt, ist ihm kein Vorwurf zu machen. Ich habe euch im Sommer zum Kampf gerufen, ihr wolltet nicht. Als Begründung habt ihr gesagt, dass es zu heiß sei für einen Krieg. Ich habe euch im Winter gerufen, da wolltet ihr auch nicht, eure Begründung war diesmal, es sei zu kalt. Allah weiß, dass es ein Vorwand eurerseits ist, um am Krieg nicht teilzunehmen! Ihr flieht mal vor der Hitze, mal vor der Kälte. Gewiss werdet ihr im Krieg vor den Schwertern desertieren.“ Weinend führte Ali (a.) fort: „Oh ihr „angeblichen Männer“, euer Verstand ist so gering, wie das eines Neugeborenen. Eure Gedanken und Wünsche sind die, wie die einer Jungfrau in Brautgemach. Die Früchte eurer Bekanntschaft sind für mich nur Kummer, Leid, Reue, Sorge und viele Tränen. Möge Allah euch töten! Meine Brust ist voller Zorn. Mit jedem Atemzug verspüre ich in meinem Herzen Kummer, Sorgen und Wut. Eure Ungehorsamkeiten durchbrechen ständig meine Pläne.“

Ali (a.) wurden in diesen Tagen weitere schlechte Nachrichten übermittelt. Zum Beispiel wurden Malik Ashtar und Muhammad ibn Abu Bakr ermordet. Ali (a.) hatte vor kurzem Muhammad ibn Abu Bakr als Gouverneur nach Ägypten geschickt. Muaviye beauftragte zeitgleich Amruas als Gouverneur in Ägypten. Muaviye hatte zuvor einige Male versucht Muahammad ibn Abu Bakr durch Versprechungen und Bestechungen zum Verrat gegen Ali (a.) zu bringen. Doch Muhammad hatte es stets abgelehnt. Er war Ali (a.) treu. Nun nutzte Muaviye die Hilflosigkeit Muhammads in Ägypten aus und hetzte das Volk gegen ihn auf. Muhammad schrieb einen Brief an Ali (a.), indem er die Situation schilderte und Ali (a.) um Hilfe bat. Daraufhin schickte Ali (a.) Malik Ashtar mit 2.000 Mann nach Ägypten, um Muhammad Unterstützung zu leisten.

Unterwegs traf Malik einen alten Mann, namens Nafia. Der alte Mann war freundlich und sah hilfsbedürftig aus. Der alte Mann erzählte, dass er Umars Sklave und Diener gewesen ist und frei gesprochen wurde. Er möchte nach Ägypten, um dort zu arbeiten und die letzten Tage seines Lebens zu verbringen. Malik nahm den Mann freundlich auf und bot ihm an die Reise nach Ägypten mit ihnen gemeinsam fortzuführen. Der alte Mann nahm das Angebot dankend an. Nach einer langen Strecke, erreichten sie eine kleine Stadt in Ägypten. Dort blieben sie in der Nacht. Am nächsten Morgen stand Malik auf und bat um etwas Trinken. Der alte Mann gab ihm Wasser mit Honig zu trinken. Da Malik in zwischen dem Mann vertraut hatte, trank er das Getränk ohne jegliche Bedenken. Das Getränk war jedoch vergiftet. In kurzer Zeit verteilte sich das Gift in Maliks Körper. Am selben Abend noch starb er.

Nafia flüchtete noch bevor sich die Tat aufklärte. Später stellte sich heraus, dass der alte Mann, nicht Umars sondern Uthmans Diener gewesen ist und nun für Muaviye tätig war. Bei Muaviye angekommen übermittelte Nafia die „gute Nachricht“ über den Tod von Malik. Muaviye freute sich sehr, er teilte die Nachricht sobald mit seinen Anhängern und sagte:

„Ali (a.) ist nicht mehr in der Lage uns anzugreifen. Sein Rücken ist ab Heute gebrochen.“ Da die geplante Unterstützung Muhammad nicht erreichte, nutzte Muaviye diese Gelegenheit und hetzte die Ägypter nun auf Muhammad. Kurz darauf ermordeten die Ägypter Muhammad ibn Abu Bakr.

Die Nachricht über die Ermordung von Malik und Muhammad ibn Abu Bakr war ein schwerer Schlag für Ali (a.). Er sagte: „Meine Trauer um Malik und Muhammad ibn Abu Bakr ist weit größer als Muaviyes Freude.“

Inzwischen gelang es Muaviye auch den Gouverneur von Basra, durch Bestechung und Versprechen, zum Verrat gegen Ali (a.), für sich zu gewinnen. Der Gouverneur widersetzte sich gegen Ali (a.) und schickte seine Soldaten nach Mekka, um die Stadt zu erobern.

Mit jedem Tag verschlechterte sich Alis (a.) Situation. Alis (a.) Worte hatten keine Wirkung mehr auf die Kufianer. Immerhin sahen die Kufianer ein, was passiert wäre, wenn Muaviye Kufa eingenommen hätte. Nach dieser Einsicht und den letzten Ereignissen kamen die Kufianer wieder etwas zu Vernunft und hörten auf Alis (a.) Worte. Somit gelang es Ali (a.) eine Streitmacht von 20.000 Mann aufzustellen. Er schrieb alle seine Gouverneure an und ordnete allgemeine Bereitstellung an.

Dagegen fanden die Angriffe der Khavareg kein Ende. Sie erlaubten sich von Tag zu Tag mehr und griffen immer nur Ali (a.) an, aber nicht Muaviye.3

Demzufolge beschlossen Ali (a.) und seine Offiziere erst den Angriffen der Khavareg ein Ende zusetzten. Ali (a.) versuchte öfters den Khavareg von ihren Sabotagen und Intrigen abzuraten, seine Bemühungen waren jedoch erfolglos. Ali (a.) rief die Khavareg zu Gerechtigkeit und zum gemeinsamen Kampf gegen Muaviye. Er schrieb sogar einen Brief an Abdullah Rasibi, dem Führer der Khavareg. Abdullah befahl dem Boten, der den Brief an ihn überbrachte, dass er genau diese Worte Ali (a.) überbringen sollte:

„Du bist ein Kafir (d.h. Ungläubig). Erst musst du reuen, dann kannst du mich erst um Hilfe bitten.“

Abdullah befahl seinen Anhängern, 12 000 Mann nach Nahrawan zu marschieren. Dieser Befehl führte dazu, dass Ali (a.) seinen Plan, nach Shamat zu marschieren, ändern musste. Er marschierte ebenfalls mit seinen Soldaten nach Nahrawan. Als die Khavareg in Nahrawan auf Ali (a.) trafen, riefen sie: „Der Befehl (bzw. das Urteil) gehört Allah, auch wenn die Ungläubigen es nicht möchten.“ Die Khavareg taten Ali (a.) leid, er wollte gegen diese nicht kämpfen. Aber er konnte gegen die zahlreichen Angriffe auch nicht mehr regungslos bleiben. Also beschloss er sich ein letztes Mal zu ihnen zu sprechen. Er stellte sich vor Abdullah Rasibi und seinen Anhängern und erzählte ihnen ausführlich die Wahrheit. Am Ende seiner Rede baten viele Khavareg Ali (a.) um Verzeihung. Ali (a.) stellte eine weiße Fahne auf und sprach: „Diejenigen, die ihre Taten bereuen, sollen sich unter die weiße Fahne stellen!“ Daraufhin gingen mehr als zweidrittel der Anwesenden unter die weiße Fahne. Die übrig gebliebenen, ungefähr ein drittel blieben bei Abdullah und erklärten sich somit zum Krieg bereit. Kurz darauf sollte der Krieg dann auch beginnen. Noch vor dem Krieg übergab Ali (a.) seinen Soldaten eine Botschaft.

Er prophezeite, dass von den Khavareg nicht mehr als 10 Männer am Leben bleiben würden und von seinen Soldaten nicht mehr als 10 Männer Märtyrer werden würden. Alis (a.) Prophezeiung war ein wahres Wunder.

Schließlich bewies sich die Prophezeiung auch als Wahr, von den Khavareg konnten nur neun Männer fliehen, dagegen kamen von Alis (a.) Soldaten nur sieben ums Leben.

Die neun Khavaregen flohen nach Mekka, unter ihnen befand sich auch Abdurrahman ibn Muldscham, der spätere Attentäter und Mörder Alis (a.).4

1 Bemerkung: Nach dem damaligen Kriegsrecht durften die Siegreichen die Besiegten versklaven und wie die übrigen Gegenstände unter sich verteilen. Nun waren der Kamel und Saffyn Kriege unter den Muslimen. Die Siegreichen Kufianer (Iraker) wollten die Besiegten Basraner (Iraker) wie die besiegten Götzendiener behandeln und die gefangen genommenen Frauen und Kinder als Sklaven unter sich aufteilen. Ali (a.) verbot dies. Die Khavareg wollten wissen, warum Ali (a.) ihnen nicht gestattete die Gegner auszuplündern.

2 Sure 5, Vers 35.

3 Bemerkung: Die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Die Untaten von Wahabiden Heute sind ähnlich wie die von den Khavareg damals. Heute gibt es in den Süden des Persischen Golfs immer noch Khavaregen.

4 Bemerkung: Ibn Muldscham war ein Unbekannter Soldat, in Alis (a.) Heer. Eines Tages, während Alis (a.) Heer nach Saffayn marschierte, fiel er Ali (a.) auf. Ali (a.) schaute ihn gründlich an und sah in ihm alle Merkmale seines Mörders. Der Heilige Prophet prophezeite Ali (a.), wie sein Mörder aussehen wird und wie er heißen wird. Als Ali (a.) alle Merkmale, die der Heilige Prophet ihm vorher gesagt hatte, in ibn Muldscham sah, fragte er ihn, ob er Abdur Rahman ibn Muldscham heiße.

Er antwortete: „Ja Amir al Muminin.“ Ali (a.) schaute um sich und sagte: „Orido hayatahu (hebaahu) va yorido qatli“ (d.h. Ich will, dass er lebt, aber er will mich töten). Von nun an kannte Ali (a.), wer sein Mörder ist. Oft wurde Ali (a.) um Erlaubnis gebeten, diesen Mann zu töten. Daraufhin antwortete Ali (a.): „Wie kann man Jemanden bestrafen, bevor er eine Untat begehrt.“